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W. Wetzig

Die LINKE im Streit um die Abwasser-Beiträge

Die Altanschließer-Problematik beschäftigt viele Strausberger BürgerInnen schon lange. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom November 2015 hat die Lage verändert, aber die Landesregierung spielt immer noch auf Zeit. Genosse Rolf Barthel hat in den letzten Jahren den Rechtsstreit um die Beiträge kritisch verfolgt. Deshalb hat ihm die Redaktion einige Fragen zum Stand der Dinge gestellt. Hier sind die Antworten:

Warum muss man sich mit so komplizierten Rechtsproblemen abplagen? Nach den Erfahrungen vergangener Jahre kann sich der einfache Bürger auf die Objektivität der brandenburgischen Gerichte nicht verlassen. Wenn dann Instanzen und Behörden selbstherrlich mit Bürgern umspringen, ihnen willkürlich Zahlungspflichten aufzwingen und dabei Recht und Gesetz missachten, kann man nicht gleichgültig zusehen. Selbst betroffen zu sein hat dabei den Vorteil, dass niemand einwenden kann: Das geht dich doch gar nichts an. Jedenfalls darf man sich nicht alles bieten lassen.

Wer hat die Suppe eingebrockt? Der Anstoß kam von der Landesregierung, konkret von Innenminister Schönbohm (CDU), der 2003 im Landtag eine Gesetzesänderung durchdrückte, deren Zweck einzig und allein im Geldeintreiben bestand, was Schönbohm auch ganz offen darlegte. Die Änderung lief unter dem verlogenen Titel „Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben“. Entlastet wurde aber gar nichts; die Last wurde nur nach unten, auf die Bürger abgewälzt. Die Einfügung eines einzigen Wortes ins Gesetz bewirkte, dass alle schon abgelaufenen Verjährungsfristen aufgehoben werden konnten. Verpasste Gelegenheiten, Geld einzufordern, konnten erneuert werden. SPD- und CDU-Fraktion stimmten damals der Minister-Vorlage zu. Heute will sich die Regierung aus der Verantwortung stehlen.

Hat die LINKE das einfach hingenommen? Die Wasserverbände ließen sich zunächst viel Zeit, so dass erneut Verjährung drohte. Daraufhin setzten SPD und CDU im Oktober 2008 die Verjährung bis 31. 12. 2011 ganz aus. Die LINKE antwortete im Dezember mit einer Beschlussvorlage im Landtag, wonach alle bis 31. 12. 2003 (nach der alten Rechtslage) verjährten Forderungen nicht neu begründet werden konnten. Die Mehrheit aus SPD und CDU lehnte das ab. SPD-Abgeordneter (Rechtsanwalt) Holzschuher begründete das: Es gebe doch praktisch gar keine verjährten Forderungen. Schon damals warnte der frühere Verfassungsrichter Prof. Steiner, die Regierungstaktik sei eine „juristische Zeitbombe“, die hochgehe, wenn andere Gerichte in der Rechtsänderung von 2003/04 eine verfassungswidrige echte Rückwirkung erkennen. Genau das geschah im November 2015. Jetzt setzt die Regierung ihre Hoffnung in ein neues Gutachten.

Wem nützt das Gutachten des Kieler Jura-Professors Brüning? Den Ursprung des Interessenkonflikts hat Brüning überhaupt nicht beachtet, und nach dem Verursacher hat er nicht gefragt. Er beruft sich nur auf Gesetzesnormen, die günstig für Instanzen und Behörden sind; unbeachtet lässt er dagegen alle Bestimmungen, die für die Betroffenen ins Feld zu führen wären. Wegen dieser Einseitigkeit kann man die 100 Seiten nur als Gefälligkeitsgutachten werten. Allerdings war das schon im Landtag so beschlossen und im Gutachterauftrag so vorgegeben worden. Herr Brüning fühlte sich durch seinen Gerechtigkeitssinn auch nicht daran gehindert, den Auftrag genauso auszuführen. Brünings Hauptargument ist die Bestimmung, dass Verwaltungsentscheide gültig bleiben, auch wenn deren Rechtsgrundlage später als unrechtmäßig erkannt wurde. Verschwiegen hat er, dass unmittelbar darauf die Einschränkung: „vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung“ folgt. Er hat nicht einmal gefragt, ob es für die vorliegenden Fälle solche Gesetze gibt und welche das sein könnten. Damit fängt die Willkür schon an. Weiter geht es mit der Behauptung, es gebe für die Betroffenen keinen gesetzlichen Rückerstattungsanspruch. Den gibt es aber in den §§ 37 und 125 der Abgabenordnung, die in den strittigen Fällen gilt. Den § 37 erwähnt Brüning zwar, aber ohne dessen einschlägige Bedeutung zu erörtern; den § 125 scheint er überhaupt nicht zu kennen. Auch die verbotene Doppelbelastung erwähnt er nur einseitig, nämlich für mögliche künftige Auswege; die nachweisbare und ebenso rechtswidrige Doppelbelastung der vorangegangenen Jahrzehnte übersieht er, so wie es bisher auch fast alle brandenburgischen Gerichte taten. Zu Recht und Gerechtigkeit trägt das Gutachten jedenfalls nichts bei.

Was kann die LINKE tun, um den Bürgern zu ihrem Recht zu verhelfen? Wenn sich die Regierenden in Potsdam an die Empfehlungen des Gutachters halten, brechen sie sowohl Landes- als auch Bundesrecht. Darauf muss die LINKE nachdrücklich hinweisen. Volksvertreter müssen in einer solchen Situation darauf dringen, dass Recht und Gesetz strikt eingehalten werden. Das ist kein Fall für Parteipolitik; hier geht es um Verfassungstreue. Auf windige Gutachten kann man sich da nicht verlassen. Dazu sollten die Abgeordneten schon selbst in den Gesetzestexten nachlesen. Die Ausrede „zu kompliziert“ zählt nicht. Gesetze müssen für jeden Normalbürger verständlich sein, wie soll er sich sonst danach richten. Wenn Juristen vorgeben, nur sie verstehen Gesetze vollständig und richtig, dann sollen sie diese gefälligst auch allein einhalten. Aber die Juristen unter den Abgeordneten tragen als Fachleute zweifellos eine größere Verantwortung.