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Renate Adolph

Elend von Geflüchteten in Griechenland aktiv lindern

Vor ca. einem ¾ Jahr hat sich der Verein „Wir packen‘s an“ in Bad Freienwalde gegründet, um Gefl üchteten in Griechenland zu helfen. Nach dem verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos im September sammelte der Verein umgehend weitere Spenden und brachte Hilfsgüter auf die Insel. Über die Hilfsaktion sprach Renate Adolph mit der Stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins, Miriam Tödter.

Wie ist diese Hilfslieferung nach Griechenland abgelaufen?

Wir haben für über 9000 Euro Spendengelder in Athen eingekauft und unsere Partner No Border Kitchen Lesvos und Refugee 4 Refugees vor Ort mit 4 Tonnen Lebensmitteln, 2000 Windeln, 1000 Binden, 2000 Feuchttüchern, 2000 Müllsäcken, 3000 Rollen Klopapier, 30 kg Gewürzen und 6000 Flaschen Wasser versorgt. Unser geschäftsführender Vorstand Axel Grafmanns war vor Ort auf Lesbos und hat mit angepackt, als die ersten Hilfsgüter an Gefl üchtete verteilt wurden. Aktuell beteiligen wir uns daran, die Zelte im neuen Lager winterfest zu machen. Für 10000 Euro kauften wir u. a. Paletten zur Installation von Bodenbelägen und stabile Plastikplanen für undichte Zelte.

Welche Situation hat Axel Grafmanns vor Ort erlebt?

Axel schilderte seine Eindrücke folgendermaßen: „Wir befi nden uns immer noch in Europa, einem Kontinent, der sich viel auf seine Werte einbildet. Deutschland beschwert sich darüber, was in Russland, Weißrussland oder in Nordkorea passiert. Vielleicht mit Recht. Aber was ist mit Tränengas auf Kinder, mit den Menschen, die man jahrelang im Dreck leben lässt und mit dem neuen Freiluftgefängnis im EU-Mitgliedsland Griechenland? Im ehemaligen Asylzentrum Moria sah ich eine verkohlte Anklage an europäische Werte: verrußt und stinkend. Mir scheint: In Moria ist jede Hoffnung auf Menschlichkeit in Europa in Flammen aufgegangen. Ich traf den 17-jährigen Mustafa, der in Moria gelebt hatte. Seine Schlafstelle, auf der er sich nur lang gestreckt ausruhen konnte, betrug nur einen Meter Breite. Diejenigen, die jahrelang zugeschaut haben, obwohl sie von den verheerenden Zuständen wussten und etwas hätten ändern können, gehören verurteilt, und niemand anders, meinte Mustafa. Als wir uns dem neuen Internierungslager näherten, wirkte er nervös: Keine Fotos. Er zeigte auf Militär. Ich steckte das Handy wieder ein. Mustafa fragte mich, ob ich gedacht hätte, dass sowas in Europa möglich sei, ständig aufpassen, ja nichts Falsches tun. Seit ein paar Jahren weiß ich, dass Menschenrechte in Europa nichts gelten, zumindest nicht für alle, nur für die Privilegierten. Und ich frage mich: Ist das neue Freiluftgefängnis auf Lesbos die Blaupause für die nächste Gruselstufe europäischer Flüchtlingspolitik? Ich fürchte ja.“

Wie sieht es im neuen Flüchtlingslager aus?

Hier ist der Meereswind sehr unangenehm. Staub wird aufgewirbelt, die Wellen rollen unablässig in Richtung Lager, berichtete uns Axel. Es ist ein Stück Erde, abgeriegelt durch scharfen Stacheldraht. Kinder spielten dazwischen. Die meisten Zelte im Lager sind sehr einfach, stehen auf der blanken Erde. In jedem Zelt „wohnen“ zwei bis drei Familien, was acht bis zehn Menschen entspricht. Es gibt zu wenige Toiletten und keine Duschen. Die griechische Sonne brannte im September noch unbarmherzig. Doch im Lager gibt es keinen Schatten, keinen einzigen Baum. Im Herbst werde die Sonne von Stürmen, Regenfällen und heftigem Wellengang abgelöst. Im Winter sind auf den griechischen Inseln Temperaturen um den Gefrierpunkt keine Seltenheit. Einmal am Tag gibt es Essen. Einige NGOs verteilen zusätzliche Nahrung. Auch wir schickten einen Transport mit Reis, Linsen und Konserven. Das „neue“ Camp ist kein geeigneter Platz für 9000 Menschen. Die nächste Katastrophe stehe bevor. Die Verzweifl ung der Gefl üchteten und Aktiven sei greifbar, spürbar, nicht auszuhalten.

Wie ist die Spendenbereitschaft der Bevölkerung hierzulande?

Noch bevor das Flüchtlingslager auf Lesbos abbrannte, transportierten wir acht voll beladene LKWs mit Hilfsgütern nach Griechenland. Auf unseren Spendenaufruf nach dem Brand von Moria erhielten wir binnen weniger Tage über 18000 Euro. Wir sind überwältigt von der großen Spendenbereitschaft in Berlin und Brandenburg, aber auch in ganz Deutschland: von Rostock bis Naumburg. Jetzt werden Sachspenden für unsere Winterhilfsaktion zusammengetragen. Unsere Sammelstellen in Brandenburg und Berlin laufen über.

Welche Dinge werden vor allem benötigt?

Schlafsäcke, Fleece-Decken, Iso-Matten, warme Baby-Schlafsäcke, Hygieneartikel, Windeln (besonders große Größen und auch für Erwachsene) sowie Baby-Michpulver.

DIE LINKE hat aufgerufen, beim Sortieren zu helfen.

Darauf gab es eine sehr gute Resonanz. Christian Steinkopf aus Strausberg konnte nach diesem Aufruf bereits ein Dutzend Leute zum Sortieren und Packen nach Torgelow bei Falkenberg senden wie Gert Grüner aus Neuenhagen bei Berlin. Christian ist sogar Mitglied von „Wir packen’s an“ geworden und hat einen LKW mit Spenden aus Bayern geholt.

Wie kann dem Verein weiterhin „unter die Arme gegriffen“ werden?

In erster Linie mit Geldspenden, um die dringend benötigte Hilfe vor Ort weiterhin leisten zu können. Außerdem kostet jeder Transport von Hilfsgütern zwischen 4000 und 8000 Euro. Wir benötigen weiterhin helfende Hände und starke Arme beim Sortieren und Packen in 16259 Falkenberg/OT Torgelow, Dorfstraße (ehem. LPG). Falls jemand eine ganzjährig nutzbare Lagerhalle für uns hat, die von großen LKWs angefahren werden kann, wäre das ebenfalls sehr hilfreich. Und natürlich: Politischer Druck ist wichtig, damit sich die deutsche Migrationspolitik ändert, und unsere Hilfsaktionen endlich überfl üssig werden.

Herzlichen Dank allen Beteiligten!