Diese Website verwendet Cookies.
Zum Hauptinhalt springen

R. Adolph

Griechenland und die europäische Linke

Griechenland und die europäische Linke

Für den vierten Abend über Kultur, Geschichte und  Politik Griechenlands konnte der „alternativen denken e.V.“ den Chefredakteur der linken Tageszeitung  neues deutschland, Tom Strohschneider, gewinnen.

Das neue deutschland hat sich von Anfang an gegen die Griechen- und SYRIZA- feindliche Grundstimmung der Mehrheit der deutschen Medien und der Regierungsparteien gewandt – mit den Mitteln der soliden Information, Originaltönen und alternativen Informationen aus Griechenland, Europa, den Verhandlungsräumen und Streitarenen.

Darüber hinausgehend – und das halten wir für ganz besonders wichtig für den Abend – hat sich das neue deutschland mit Tom Strohschneider an der Spitze damit beschäftigt, die (europa)politische Bedeutung der Entwicklung in Griechenland auch für die Linke und DIE LINKE. herauszuarbeiten und – noch wichtiger – zu diskutieren. 

Es ging und geht also auch um das Anschreiben gegen einfache Muster von „Sieg oder Niederlage“, „Verräter oder Held“, „Reform oder Revolution“. Und ein bisschen um die Frage, was internationale Solidarität heute in Europa über das Bekenntnis hinaus sein könnte. So sollten wir auch den Abend angehen: Bestandsaufnahmen, kritisches Gespräch über reale Möglichkeiten, gescheiterte Illusionen, konkrete Hoffnungen und Visionen. 

Unverfälschte Analysen

Und wieder wurde es eine spannende Runde Anfang September in Strausberg, so spannend wie die zurückliegenden sieben Monate seit dem Sieg von SYRIZA. Tom Strohschneider berichtete über das große Bedürfnis nach realen Betrachtungen der Ereignisse in Griechenland. Auf vielen seiner Foren wollten sich Menschen austauschen und die Geschehnisse unverfälscht verdeutlicht wissen. Dabei mangelte es nicht an Kritik an der einseitigen Berichterstattung des überwiegenden Teils der deutschen Medien. Besucher des Abends hoben dabei die gute analytische Berichterstattung des nd` s hervor.

Deutschland hat es geschafft, Griechenland seine Ziele aufzudrücken, sagte Strohschneider. Die Gläubiger konnten sich durchsetzen. Das zeigt, wer in Europa das Sagen hat. Griechenland musste u. a. auch Schulden für die Rüstung machen, so für Panzer, die in Deutschland gekauft wurden, obwohl vielleicht nicht sehr sinnvoll für ein Land mit vielen Inseln, erinnerte er. Vergessen bleibe auch, dass die Staatsschuldenkrise in Europa mit der Finanzkrise 2007 /2008 begonnen hat.

Vertrag kam Putsch gleich

SYRIZA wollte eine andere Politik der Schuldenbewältigung, einen Schuldenschnitt. Das Bündnis war angetreten, die Folgen sozial abzufedern. So bestand eine seiner ersten Maßnahmen Anfang Februar in einem Notprogramm für die Ärmsten.

Strohschneider zitierte Alexis Tsipras: „Unter Umständen des finanziellen Erstickens waren unsere Fürsorge, unsere Sorge, unsere Überlegung mehr, wie wir es schaffen werden die griechische Wirtschaft am Leben zu erhalten.“

Der Vertrag für das dritte Kreditprogramm für Griechenland, so schätzte Tom Strohschneider ein, kam einem Putsch gleich. Das Gefühl eines Schlags in die Magengrube tat sich auf. Andererseits habe es kaum sinnvolle ökonomische Argumente für das Land gegeben, aus dem Euro auszusteigen. Der Bevölkerung würde es noch schlechter gehen.

Kaum kommuniziert werde auch, dass Deutschland bisher nur Bürgschaften für Griechenland gegeben hat und durch die Zinserleichterungen Gewinne von 100 Milliarden Euro erwirtschaftet. Deutschland ist der größte Profiteur der Krise auf dem Rücken des griechischen Volkes.

Und die Linke?

Gegenwärtig befände sich die griechische Linke in einem Neugründungsprozess.

Die deutsche Linke war auf die Entwicklungen in Griechenland nicht vorbereitet. Es gelang ihr nicht, Massen zur Unterstützung zu mobilisieren.

Sowohl in Deutschland als auch in Griechenland gäbe es soziale Probleme, hätten die Menschen die gleichen Interessen, unterstrich Tom Strohschneider. Eine europäische Alternative sei nur gegen die hierzulande konsolidierten Machtverhältnisse und gesellschaftlichen Mehrheiten zu erreichen. Werde die Linke hier nicht erfolgreicher, was die Fähigkeit zu neuer Radikalität ebenso einschließen müsste wie die zu neuer Bündnisfähigkeit, werde sich die in Berlin verfolgte Strategie weiter durchsetzen.

SYRIZA hat einen Prozess der Klärung über die Voraussetzungen linker Politik in Gang gesetzt!

Über Europa, über den Euro, die Institutionen der Herrschaft, über den Zusammenhang von deutscher Exportorientierung und sozialer Misere in der inneren und äußeren Peripherie, über die Risse im Machtgefüge der EU, über die Notwendigkeit einer europäischen Innenpolitik als Voraussetzung für die politische Verallgemeinerung der Interessen der Vielen über nationale Grenzen und Borniertheiten hinweg, über politische Strategien im Parlament und auf dem europäischen Parkett, über die Akzeptanz einer weit links stehenden Partei in einer keineswegs genauso links tickenden Bevölkerung – über all das und noch viel mehr werde in Zukunft anders gesprochen werden, analysierte Strohschneider.

Renate Adolph